Sonntag, 22. Juli 2012

Sommerfülle

Die meisten Leute freuen sich über den Sommer. Sie jammern, wenn er sich mal hinter ein paar Wolken versteckt und einige Tage Regenpause einlegt. Ich freue mich auch über den Sommer. Ja! Aber als Gärtnerin freue ich mich ebenso über den Regen, aber das ist nicht ja nicht weiter erwähnenswert.
Doch ich gestehe es: Der Sommer macht mir auch Angst. Nur ein bisschen, vielleicht ist Angst auch das falsche Wort. Ähm - also nochmal: Manchmal ist mir der Sommer unheimlich.
Zum Beispiel wenn ich spazieren gehe, an Maisfeldern vorbei und die Stengel schießen förmlich in die Höhe - sie bilden plötzlich eine Wand aus Grün, wo noch vor ein paar Tagen freie Sicht war. Oder neulich, auf einem Weg an der Amper, den ich eine kurze Zeitlang schlicht vergessen hatte: Plötzlich ist hier die Hölle, kaum ein Durchkommen vor lauter Blättern und Halmen, die nach meinem Füßen greifen, dort, wo noch vor kurzem einfach ein Weg war.
Und mein Garten? Auch er explodiert. Er ist plötzlich der Herr des Geschehens, ich kann nur daneben stehen und eher wenig eingreifen. Ein paar Unkräuter in ihre Schranken weisen, Halme stützen, Wucher vermeiden, Verblühtes abzupfen oder zurück schneiden.
Der Garten zeigt mir mit seiner Pracht eine lange Nase. Siehst du, hier sind die Blüten viel höher als du dachtest und hier - du hättest mehr Platz lassen sollen zwischen mir und dem Nachbarn. Und überhaupt: Was glaubst du, wer du bist? Ich, GARTEN, mache, was ICH will! Und DU, GÄRTNERIN, kannst das gar nicht verhindern!
Ich gebe zu, die Sommerfülle überwältigt mich. Jeden Tag aufs Neue. Ich ziehe mich zurück. Morgen, denke ich. Morgen schaffe ich es, der Macht der Fülle mein Planen entgegen zu setzen. Morgen - oder übermorgen. Aber ganz bestimmt, wenn der Sommer erst vorbei ist.
Doch dann erinnere ich mich an die vielen Geschichten, die in meinem Kopf wohnen und an die Stimmen, die den Figuren darin gehören und die auch manchmal so mächtig sind und so vielfältig, dass ich ganz schwach davon werde.
Und dann weiß ich, was ich tun muss. Es ist ganz leicht. Ich muss das tun, was ich immer tue: Pflanzen stützen, ein wenig ordnen, ein paar kleine Entscheidungen treffen. Und ansonsten: Einfach zusehen. Zuhören. Entspannen. Die Fülle genießen.

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