Sonntag, 8. Juli 2012

Ich will! Unbedingt!

Irgendwann vergangene Woche fing es an. Erst ein winziger Wunsch, der Hauch einer Sehnsucht: Eigentlich hätte ich ganz gern ein Foto von dem kleinen Taubenschwänzchen. Von dem Schwirrer, der seit Neuestem meinen duftenden Lavendel besucht. Ich könnte es ja probieren, dachte ich. Ein wenig die Augen offen halten, dachte ich. Und die Kamera nicht allzu weit weg legen, dachte ich. Beim Frühstück am nächsten Morgen war es soweit. Vom Esstisch aus gut sichtbar, flog es zackig seine Runde. Eine Blüte, noch eine und dann - ein seitlicher Schwung - noch eine.
Auja! Gleich hab ich mein Foto! Nur schnell die Terrassentür auf, ein Griff nach der Kamera und nur drei Sprünge weiter - Das Taubenschwänzchen macht eine elegante Rechtskurve über Lavendel und Rosen und Lilien und verschwirrt sich über den Zaun. 
Einfach Pech, denke ich. Nächstes Mal. Bestimmt! Ganz bestimmt! Ich will doch so gern ein Foto - unbedingt sogar will ich!
Das Spiel wiederholt sich. Am selben Tag gegen Abend und am nächsten Morgen. Ich verfeinere meine Methode. Nehme die Kamera beim Frühstücken in die Hand, ja - stelle überhaupt das Frühstück ganz ein - und wenn der Falter angeschwebt kommt, dauert es keine zweieinhalb Sekunden und ich bin beim Lavendel. Ohne Erfolg. Jeden Tag dasselbe Bild. 
Vielleicht ist ja überhaupt alles ganz anders, denke ich. Vielleicht lauert das Taubenschwänzchen ja auf mich und nicht umgekehrt. Und wenn es auch nur einen Schatten von mir sieht - flugs verschwindet es. 
Aber ich will doch so gerne!! Ein winziges Foto! Auch mit einem einzigen, völlig verschwommenen, wo man den Faltern mehr ahnen als sehen kann, wäre ich schon zufrieden! Ich erwäge schon, meinen Schlafplatz beim Lavendel aufzuschlagen, Wind und Wetter zum Trotz! um als erste dazusein, bereit, meinen Willen endlich zu bekommen. 
Mein Mann rettet mich. Er hält nichts vom Schlaf im Freien. "Das klappt schon noch!", sagt er. Und auf meinen Einwurf, dass ich doch unbedingt will - und außerdem kaum noch leben kann ohne das Foto: "Kommt Zeit kommt Rat!"
Natürlich hat er Recht. Immer hat er Recht. Heute früh sitzen wir auf der Terrasse. Sonntagsfrühstück. Brötchen, Kaffee, Sonnenschein, und gute Gespräche. Aus den Augenwinkeln, ganz ohne dass ich es gewollt oder vorbereitet hätte, sehe ich es: Mein Taubenschwänzchen schwirrt. Es lässt sich Zeit heute. Seelenruhig hole ich die Kamera und mache sieben (7!) verschwommene Fotos und ein wunderschönes scharfes. 
Manches wird einem eben einfach geschenkt. 

1 Kommentar:

  1. Es ist öfer so im Leben, manches bekommt man erst durch loslassen!!

    AntwortenLöschen